Der Unterbezirk hatte zusammen mit der Kreistagsfraktion zu der Veranstaltung eingeladen. Die gute Beteiligung an der Veranstaltung zeigte, dass das Thema von großem Interesse ist.

Astrid Schlegel, Vorsitzende der Kreistagsfraktion begrüßte als Referenten Rüdiger Hornbostel vom DGB Bezirk Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt, Christoph Tietge, Leiter der Arbeitsagentur Nienburg-Verden und den Unternehmer Jürgen Stoll von der Firma Stoll Abwassertechnik in Stuhr, sowie alle anwesenden Gäste.

Landrat Cord Bockhop wies in seinem Grußwort auf die Situation im Landkreis Diepholz hin. Hier habe man bereits einige Projekte angeschoben, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Dabei nannte er die Kooperation zwischen Kommunen und Wirtschaft, das Aktionsbündnis Schule - Ausbildung und Beruf und das Stipendium für Medizinstudenten. Wichtig, um Fachkräfte in der Region anzusiedeln und zu halten, sei auch die Bindung an Vereine und die Einbindung in das soziale Leben. Auch hier sei der Landkreis auf einem guten Weg mit dem gerade startenden Projekt "Rein in den Verein".

Rüdiger Hornbostel, vom DGB, zeigte einige Hindernisse auf, die den Fachkräftemangel sichtbar machen: z. B. sei die Ausbildungsvergütung und der Einstiegslohn in manchen Berufen sehr gering, bei anderen Berufen wirke sich der Sog in die Metropolen mit attraktiven Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in der Industrie negativ für die Region aus. Der Wettbewerb zwischen Industrie und Handwerk sei nicht auf gleicher Augenhöhe. Mit den Löhnen und sozialen Leistungen der Industrie könnten viele Handwerksbetriebe nicht mithalten.

"Es wird zu wenig ausgebildet" so Herr Hornbostel weiter, "zu wenig Betriebe, zu wenig Auszubildende". Das liege auch daran, dass viele kleinere Betriebe gar keine Befähigung zur Ausbildung hätten. Das Übergangssystem zwischen Allgemeinbildenden Schulen und Beruf sei ebenfalls noch sehr ausbaufähig.

Seine Thesen, die Situation zu verbessern lauten daher: Kreativität, bessere Tarife, mehr Flexibilität in den Betrieben, Familienfreundlichkeit und altersgerechte Arbeitsmodelle z. B. in den Pflegeberufen. Dort sei es besonders wichtig, denn die schwere körperliche Arbeit und Belastung führe ganz oft dazu, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeit aufgeben müssten.

Fachtagung Fachkräftemangel
Das Foto zeigt von links nach rechts: Ortwin Stieglitz (SPD-Kreistagsfraktion), Rüdiger Hornbostel (DGB), Landrat Cord Bockhop, Susanne Cohrs (SPD-Kreistagsfraktion), Christoph Tietje (Agentur für Arbeit), Astrid Schlegel (Vorsitzende SPD-Kreistagsfraktion)und Jürgen Stoll (Stoll Abwassertechnik)

Christoph Tietje, Leiter der Agentur für Arbeit, zuständig auch für den Landkreis Diepholz, bestätigt den Fachkräftemangel, diesen gäbe es allerdings nur in bestimmten Berufen. Als Beispiel nannte er Mechatronik, Elektro- und Metallberufe und den Pflegeberuf. Im Bereich Recht und Verwaltung sei kein Mangel festzustellen. Als Hauptursache für den Fachkräftemangel nannte auch Herr Tietje vor allem den demographischen Wandel.

Ziel der Agentur für Arbeit sei es, das vorhandene Potential an erwerbsfähigem Personal besser auszuschöpfen. Dazu nannte er einen ganzen Maßnahmenkatalog von der Verbesserung des Übergangs von Schule zum Beruf, Erwerbsbeteiligung von Frauen, Langzeitarbeitslosigkeit verringern bis hin zu einem Zuwanderungsgesetz und Integration von geflüchteten Menschen. Bei der Integration betont er besonders die Notwendigkeit des Spracherwerbs. Nichtdestotrotz müsse man auch dann über die Fachkräfte von übermorgen sprechen.

Was die Verringerung von Langzeitarbeitslosigkeit angeht, gäbe es zurzeit einige politische Vorschläge.

Die Agentur für Arbeit biete ein umfassendes Beratungsangebot und Möglichkeiten der Förderung der Aus- und Weiterbildung. Wichtig sei dies ganz besonders beim Übergang von der Schule zum Beruf. Die Statistik über die sehr hohe Anzahl an Ausbildungsabbrüchen sei allarmierend, wenn auch etwas unscharf. Aus der Statistik sein nicht ersichtlich, ob es sich um tatsächliche Abbrüche handle, oder um einen Wechsel des Ausbildungsbetriebs oder um Kündigung von Mehrfachzusagen.

"Wir brauchen jeden jungen Menschen" betont Herr Tietje, „und müssen die Berufsorientierung verbessern". Dabei erwähnte er lobend den gerade abgeschlossenen Kooperationsvertrag zwischen dem Landkreis Diepholz und dem Jobcenter, in dem gerade der Übergang von der Schule zur beruflichen Ausbildung unterstützt und gefördert werden soll.

Den Fachkräftemangel aus Sicht eines erfolgreichen Unternehmens, das händeringend nach qualifizierten Kräften sucht, beleuchtet Jürgen Stoll, Inhaber der Firma Stoll Abwassertechnik in Stuhr.

Kritik übte er besonders am Bildungssystem. Die Schulabgänger seien häufig noch nicht ausbildungsfähig, es mangele oft an elementaren Fähigkeiten beim Rechnen, Lesen und Schreiben. Zudem sei die Tendenz, höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen, aus seiner Sicht, kontraproduktiv. Nicht jeder Abiturient könne auch studieren. "Es fehlen Indianer, nicht Häuptlinge", so Herr Stoll.

Das allgemeine Bildungsniveau sei zu niedrig, die Noten nicht mehr aussagekräftig. Die Vorstellungen und die Erwartungen der jungen Leute an einen Beruf entsprächen nicht der Realität. Eine intensivere Vorbereitung auf einen Beruf sei bereits in der Schule notwendig. Der berufsbildende Einstieg sollte möglichst durch ein längeres Praktikum in einem Betrieb stattfinden. So könne frühzeitig von beiden Seiten getestet werden, ob der Beruf den Vorstellungen entspricht und welche Defizite aufgearbeitet werden müssen.

Ein wichtiges Thema, das von den Referenten auch angesprochen wurde, ist die Digitalisierung. Ob Chance oder Risiko ist hier die Frage. Einig war man sich, dass die Arbeitswelt sich verändern wird. Stärker betroffen werden vermutlich Arbeitsplätze in Fertigungsbetrieben und in der Industrie sein. Dafür werden aber neue Berufe und neue Arbeitsplätze entstehen.

In der anschließenden Diskussion wurden einige Aussagen aufgegriffen, bestätigt, bestärkt oder kritisch angemerkt.

Konsens herrschte über die Vorschläge und Maßnahmen, die nötig sind, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken:

  • Verbesserung des Übergangs von Schule zum Beruf
  • Beratung und Begleitung von Auszubildenden
  • Coaching (z. B. assistierte Ausbildung , Pilotprojet mit dem BBZ Diepholz)
  • Wertschätzung der handwerklichen und pflegenden Berufe als gesellschaftliche Aufgabe
  • Bessere / Tarifliche Bezahlung
  • Flexibilität und Kreativität in den Unternehmen
  • Aufstiegsmöglichkeiten aufzeigen
  • Familienfreundliche und altersgerechte Arbeitszeitregelung
  • Qualifizierung und Weiterbildung

Moderiert wurde die Veranstaltung souverän von Ortwin Stieglitz von der Kreistagsfraktion. Susanne Cohrs bedankte sich am Ende der Veranstaltung stellvertretend für den SPD-Unterbezirk bei allen Referenten und Gästen für die Teilnahme und die anregende Diskussion.

Fachtagung Fachkräftemangel