„Da möchte man den Verantwortlichen im Land manchmal doch zurufen: Lösen Sie Ihre geistige Wegfahrsperre!“ Mit diesen Worten eröffnete UB-Vorsitzende Astrid Schlegel den Diskussionsabend in Twistringen zum Thema „Qualität statt Stress in der Schule“.

Sie sprach die desaströse Schulpolitik der CDU/FDP-Regierung im Land Niedersachsen an, die zahlreiche Probleme in den Bildungs- einrichtungen erst verursacht hat und nun keine effektiven Lösungen anbieten kann. Das so genannte Turbo-Abitur nach 12 Schuljahren, das jetzt auch für die Gesamtschulen gelten soll, zu volle Klassen, sterbende Hauptschulen und eine Gesamtschul-Verhinderungspolitik sind nur einige der genannten Problemfelder.

Zur Diskussionsrunde waren Lehrer und Lehrerinnen, Schulleiter und Interessierte aus anderen Bereichen eingeladen worden, als besonderen Gast begrüßte Astrid Schlegel MdB Rolf Kramer, der von seinen Erfahrungen als Berufsschullehrer berichten konnte. Als Referent war an diesem Abend Prof. Dr. Matthias von Saldern aus Lüneburg angereist, der als Fachmann in der Schulentwicklung von verschiedenen Institutionen als Berater, Gutacher und/oder Sachverständiger angefordert wird. So hat er in mehreren Kommunen den Prozess zur Zusammenführung von verschiedenen Schulzweigen in ein integratives System begleitet.

Von Saldern machte im Laufe seines Vortrags deutlich, dass er für integrative Systeme in den Schulen ist, die mehr Flexibilität bieten. So ist für ihn das jetzige Schulsystem zu starr gegliedert, die Kinder werden zu früh und zu stark voneinander getrennt. Integrative Schulen bieten den Kindern mehr Möglichkeiten, ihren Fähigkeiten und Begabungen gemäß unterrichtet zu werden. Diese Schulen werden im Übrigen bei Umfragen immer stärker auch von Eltern gefordert.Außerdem sollte die Verantwortlichkeiten der Schulen gestärkt werden, so dass diese ihre Schwerpunkte freier gestalten und eine an ihre Bedürfnisse angepasste innere Differenzierung durchsetzen können. Von Saldern übte besonders harsche Kritik an den zahlreichen Qualitäts- entwicklungsmaßnahmen, denen sich Schulen unterziehen müssen und für die LehrerInnen mit hohem Zeitaufwand fortgebildet werden müssen, die dann in den Unterrichtszeiten fehlen. Hier setzt er auf eine Zusammenführung verschiedener Qualitätsstränge, die von den Betroffenen einfacher nachzuvollziehen sind. Zurzeit besteht seiner Meinung nach ein Hang zu Übersteuerungstendenzen durch zu viele Anforderungen, wobei die Kernaufgabe von Schule – nämlich guten Unterricht zu bieten – auf der Strecke bleibt.

Zu einer Qualitätssteigerung gehört aber ebenso eine deutliche Verbesserung der Lehrerausbildung, die nach Schulstufen gegliedert sein sollte, nicht nach Schulformen. Von Saldern kritisierte unter anderem, dass immer noch Lehrer für die Hauptschulen ausgebildet werden, die immer mehr aus dem Schulsystem verschwinden, weil ihnen die Schüler fehlen.

Großen Wert legt von Saldern auf die Forderung, dass zu einem integrativen System (Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen, etc.) auch die Beschulung von behinderten Kindern gehört. Die Bundesregierung hat die internationale Behindertenrechtskonvention unterschrieben und sich somit an der Vereinbarung zu integrativem Lernen aller Kinder ausdrücklich beteiligt, getreu dem Motto: „Es ist normal, verschieden zu sein.“ An den äußerst interessanten Vortrag schloss sich eine sehr rege Diskussion mit den anwesenden Zuhörern und Zuhörerinnen an, die aus ihren Erfahrungen berichten konnten und Beispiele aus der Praxis anführten. Den Beiträgen gemeinsam war die Kritik am bestehenden System, das den sich verändernden Anforderungen nicht gerecht werden könne.

Es trifft für diesen Bereich wohl in besonderem Maße zu, was SPD-Generalsekretär Hubertus Heil einmal in einem anderen Zusammenhang geäußert hatte: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem!“

In diesem Zusammenhang wurde auch noch einmal auf den von der CDUFDP-Mehrheit abgelehnten Antrag auf Einrichtung einer Kooperativen Gesamtschule in Bassum eingegangen und das Verfahren sowie die Ablehnung kritisiert.